DIE KUNST DES VERBINDENS
Neue Wohngebiete erfordern eine intensive Vorarbeit: in den Standort und in die Wohnwünsche der zukünftigen Bewohner.
Wie es gelingt, eine Vision für Gebiete zu entwickeln, in denen Menschen gut und gerne leben, das wissen Alexander Heinzmann, CEO von BPD in Deutschland, und Han Joosten, Leiter der Gebietsentwicklung bei BPD in Deutschland.
Will Politik mehr als möglich ist?
Welche Auswirkungen haben die niedrigen Neubauzahlen für die Wohnungsmärkte konkret – womit ist zu rechnen?
Gibt es davon zu wenig?
„Ja und nein. An Flächenpotenzialen mangelt es jedenfalls nicht. Die Kommunen haben es in der Hand, wie viel sie davon als Bauland ausweisen. Der politische Wille zur Umsetzung ist allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt. In den kommenden Jahren werden in Deutschland viele bezahlbare Wohnungen dringend benötigt. Dazu braucht es großformatige neue Wohngebiete. Große Gebiete (> 1.000 Wohneinheiten) machen den Einsatz von kostengünstigen seriellen Baumethoden möglich. Die benötigten Baulandflachen sind in Innenstädten nicht mehr vorhanden oder zu teuer. Wir brauchen einen Kulturwandel bei der Stadtplanung und Regionalplanung, um den Wohnungsbedarf ansatzweise decken zu können. Die Niederlande sind ein gutes Beispiel, wie es funktionieren kann. Hinzu kommt, dass die Entwicklung neuer Wohngebiete ein starkes Durchhaltevermögen erfordert. Je nach Größe und Lage des Gebiets vergeht manchmal ein Jahrzehnt, bevor sich der erste Baukran dreht.“
HEINZMANN
„Das liegt an den vielen Fragen, die es im Vorfeld zu klären gilt, um eine Fläche baureif zu machen. Auch städtebauliche Aspekte spielen eine tragende Rolle. Es ist schließlich ganz entscheidend, dass ein neuer Stadtteil die vorhandenen Stadtstrukturen sinnvoll arrondiert bzw. weiter entwickelt. Eine fundierte Auseinandersetzung mit der lokalen Wohnungsmarktlage, der wohnungspolitischen Zielsetzung einer Kommune und den örtlichen Gegebenheiten steht für uns deshalb am Anfang jeder Planung. Die Analyse aller Einflussfaktoren, die für die Qualität eines künftigen Wohngebiets Relevanz haben, bildet sozusagen das Fundament, auf dem wir aufbauen.“
JOOSTEN
„Wir machen Wohnwunsch-Befragungen und nutzen unser Wohnzielgruppen-Prognosemodell namens BPD-Kaleidoskop. Unser Anspruch ist, ein zielgruppengerechtes Stadtquartier mit bedarfsgerechten Wohnungsangeboten zu entwickeln. Hierzu braucht es eine Vision des neuen Wohnviertels. Es ist deshalb wichtig, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in den verschiedenen Marktsegmenten sehr genau zu kennen. Das „Kirschberg Quartier“ in Weimar ist dafür eine gute Referenz. Wir haben ein Bebauungskonzept entwickelt, das passgenau auf die Wohnungsbedarfe in der Stadt eingeht: Es gibt einen sehr hohen Anteil an Mietwohnungen, ein Teil davon entfallt auf das bezahlbare Segment und ist altersgerecht bzw. barrierefrei geplant. Hingegen fallt der Anteil an Eigentumswohnungen bei diesem Projekt vergleichsweise klein aus.“
HEINZMANN
„An unserer Herangehensweise wird deutlich, dass wir an einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand bzw. den handelnden Akteuren interessiert sind. Es geht darum, einer Gebietsentwicklung Substanz zu verleihen, also einen echten Mehrwert für eine Kommune zu liefern und auch für die künftigen Bewohner einen Ort zu schaffen, an dem sie gut und gerne leben können. Dazu suchen wir frühzeitig den Dialog und sind darauf bedacht, Aufgabenstellungen ganzheitlich zu losen.“
Mit der Entwicklung eines neuen Wohngebiets wird innerhalb einer Gemeinde eine neue Adresse geschaffen. Wie gelingt es, dem Neuen eine Identität zu geben, die für das Bestehende nicht wie ein Fremdkörper wirkt?
„Eine spannende Frage, die wir in der Tat für jedes Vorhaben neu beantworten müssen. Unsere Erfahrungen bestätigen immer wieder, dass eine Gebietsentwicklung erfolgreich ist, wenn sie auch die Akzeptanz in der Bevölkerung findet, die bereits da ist. Wir legen daher schon in der frühen Phase eines Projekts großen Wert auf eine offene Kommunikation und aktive Beteiligung der interessierten Bevölkerung an der Entwicklungsmaßnahme.“
JOOSTEN
„Wir entwickeln eine Vision – oft in Zusammenarbeit mit lokalen Stakeholdern –, wie das spätere Wohnviertel aussehen könnte. Zudem informieren wir die künftigen Bewohner sowie bereits ansässige Anwohner verständlich und kontinuierlich über die Entwicklung eines Gebiets. Das erreichen wir über Gebietsmarketing mit unterschiedlichen Maßnahmen – wie zum Beispiel Newslettern, Informationsveranstaltungen oder Events. Wir halten die Bevölkerung auf dem Laufenden und machen Lust auf mehr.“
HEINZMANN
„… und Öffentlichkeitsbeteiligungen. Damit haben wir unter anderem in Meerbusch-Büderich sehr gute Erfahrungen gemacht. Burgerinnen und Burger hatten im Vorfeld die Gelegenheit, ihre Wunsche für das neue Wohnquartier „BÖHLERLEBEN“ zu formulieren. Ihre Anregungen und Ideen sind schließlich in die Auslobung des Wettbewerbs eingeflossen, zu dem insgesamt 15 renommierte Teams aus Stadtplanern und Landschaftsarchitekten eingeladen wurden. Partizipation ist einer der Erfolgsfaktoren, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen. Gebietsentwicklung verstehen wir aus gutem Grund als die Kunst des Verbindens.”
Bei der Entwicklung neuer Stadtteile bzw. Wohngebiete entstehen regelmäßig Eine Vielzahl an Wohnungen. Wir wird daraus ein lebendiger Ort?
„Vereinfacht gesagt: Die Mischung macht‘s: sowohl das breite Angebot an Wohnungstypen für unterschiedliche Zielgruppen als auch ergänzende Nutzungen wie Gastronomie, Nahversorgung, und Sportanlagen und viele weitere mehr. In Weimar beispielsweise wird die alte denkmalgeschützte Schlachthofhalle zum Einkaufsmarkt mit Restaurant. In Koblenz entwickeln wir in dem neuen Stadtteilquartier „Ellinger Höhe“ parallel zur sozialen Infrastruktur noch Flachen zum Arbeiten und für die Nahversorgung. Die angestrebte Vielfalt an Nutzungen orientiert sich bei jeder Gebietsentwicklung daran, welche Mischung gut miteinander korrespondiert bzw. eine sinnvolle Ergänzung darstellt.“
HEINZMANN
„Die soziale Durchmischung erreichen wir, indem wir Wohnraum für unterschiedliche Haushaltseinkommen bzw. Zielgruppen schaffen – also auch im preisgedampften und geförderten Segment. Unter einem nachhaltig funktionierenden Konzept verstehen wir deshalb einen Angebotsmix, der im Kern aus variantenreichen Typologien an Miet- und Eigentumswohnungen besteht. Im „Kieler Suden“ bauen wir sogar wieder verschiedene Versionen von familiengerechten Eigenheimen, weil wir durch unsere Marktanalyse festgestellt haben, dass es in diesem Marktsegment einen großen Bedarf gibt. Diese Gebietsentwicklung ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie Wohnbauflächenpotenziale einer Stadt im Außenbereich behutsam im Interesse ihrer Einwohner aktiviert werden können. Denn an adäquaten Angeboten für junge Familien in der Altersgruppe 35 bis 45 Jahre, mit dem Ziel, Wohneigentum zu bilden, fehlte es bislang. Diese Bevölkerungsgruppe will die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt nicht ins Umland verlieren, sondern halten.“