Bedarfsgerechtes Bauen: Was Menschen wirklich wollen

Wie viele große und kleine Wohnungen werden benötigt? Wie viele Kindergartenplätze? Und wo genau? Big Data und Milieuanalysen geben darauf Antwort − und liefern Kommunen die Grundlage für Planungsentscheidungen.
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Wer Wohnungen baut, muss im Vorfeld wissen, für wen er diese baut. Dies gilt für Entwickler und städtische Entscheider bei bedarfsgerechten Stadtentwicklungen und -erweiterungen gleichermaßen.

Neben Expertise und lokalen Marktkenntnissen können Marktforschungsinstrumente und Big Data dazu beitragen, bessere Planungsentscheidungen zu treffen. Die Analysemöglichkeiten reichen von Wohnungsbedarfsermittlungen über Wohnzielgruppenprognosen bis hin zu Wohnwünschen künftiger Bewohner.

So gibt beispielsweise die Wohnwetterkarte von BPD Auskunft über die Situation auf dem gesamten Wohnungsmarkt in Deutschland. Sie zeigt anhand einer Temperaturskala die Wohnungsbedarfe und die Rate der Deckung bis auf die Ebene der rund 11.000 Gemeinden in Deutschland. Ist ein Wohnungsmarkt heiß, bedeutet dies eine hohe Nachfrage nach Wohnungen und ein im Verhältnis dazu geringes Bauvolumen.

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Mehr Nachfrage in der Fläche

Nach Jahren des Ansturms auf relativ wenige Groß- und Universitätsstädte verteilt sich die Wohnungsnachfrage in Deutschland in den letzten Jahren stärker in die Fläche. Eine Rolle dabei spielt das gestiegene Preisniveau. Zudem zeigt ein demografischer Trend seine Wirkung: Die vergleichsweise geburtenstarken Jahrgänge 1980−1990 (im Osten) sowie 1985−1997 (im Westen), die in großer Zahl zum Studieren in die Großstädte zogen, treten in die Familienphase ein. So haben Wohnwunschanalysen mit über 24.000 Befragten bundesweit ergeben, dass diese eine ähnliche Haltung und Präferenzen haben wie ihre Eltern. Demnach war die Nachfrage nach städtischen Regionen weniger ein Trend einer neuen Generation, sondern vielmehr ein Lebenszykluseffekt von 20-jährigen Studierenden, die in die Universitätsstädte zogen. Die heute 35-Jährigen wünschen sich klassisch ein Haus mit Garten, wobei dieser im Vergleich zu früher kleiner ausfallen darf. Ein größeres Gewicht wird im Gegenzug auf die Verkehrsanbindung gelegt. Die Corona-Pandemie verstärkt den Wunsch nach einem grünen Umfeld.

Es ist davon auszugehen, dass der Markt an innerstädtischem Mikrowohnen sowie teuren Appartements schrumpft, während das Haus im Umland oder in günstig gelegenen Kleinstädten einen Bedeutungsgewinn erfährt. Je mehr sich die Möglichkeit zum Homeoffice etabliert, desto weiter wird der Radius von Ballungsräumen nach außen reichen. Dies bietet die Chance, überhitzte Wohnungsmärkte zu entspannen, und birgt zugleich das Risiko von erhöhtem Verkehrsaufkommen. Ein weiterer Effekt lässt sich erkennen: der Wunsch in attraktiven Regionen zu leben. Die Wanderungsstatistik zeigt, dass die Küstenregionen Norddeutschlands sowie der Alpenrand beliebte Zielregionen sind.

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Weichen für die Zukunft stellen

Je nach Lage und örtlichen Gegebenheiten entstehen durch diese Tendenzen neue Herausforderungen für Kommunen. Zahlreiche Dörfer und Kleinstädte außerhalb der bisherigen Hotspots haben die Chance, wieder Stadtentwicklungspolitik zu betreiben und mit attraktiven, bedarfsgerechten Angeboten Fortzug und Überalterung entgegenzusteuern. Insbesondere gilt dies für touristische Regionen; selbst dann, wenn Bausubstanz und Infrastruktur möglichweise in die Jahre gekommen sind.

Für Kommunen im unmittelbaren Ballungsraumumland, das in großräumig angespannten Wohnungsmärkten wie beispielsweise Südbayern weit hinaus reicht, werden die Herausforderungen besonders groß. Immer mehr Menschen ziehen verstärkt ins Umland. Dies führt zu Angebotsengpässen für Häuser und erschwert den Erwerb von bezahlbarem Wohneigentum. Diesem Umstand kann begegnet werden mit mehr Angebot und mit der Ausweisung von Bauland für die Entwicklung von neuen Wohn- und Lebensräumen. Wie die zugrunde liegenden Zahlen der Wohnwetterkarte zeigen, hat Deutschland auf absehbare Zeit einen positiven Wohnungsbedarf. Durch die demographisch bedingten Haushaltsverkleinerung gilt dies auch dann, wenn die Einwohnerzahl gleichbleibt.

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Die Zielgruppen kennen

Flächen für neue Wohngebiete in angespannten Wohnungsmärkten sind rar. Neue Wohngebiete gilt es deshalb mit Bedacht zu entwickeln. Ein ganzheitlicher Ansatz hilft, um der Zukunft einer Region, den Bedürfnissen einer Stadt sowie den Wünschen der Bevölkerung gerecht zu werden. Es geht darum, Konzepte und Visionen zu entwickeln, die gesellschaftliche Vielfalt abbilden, über eine funktionierende Versorgung verfügen und für die Bewohner erlebbare Freiräume schaffen. Das bedeutet neben Wohnraum auch den öffentlichen Raum und die Infrastruktur mitzudenken. Detaillierte Kenntnis von aktuellen Trends und Innovationen der Quartiersentwicklung sowie Antworten auf die Fragen nach Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit sind von entscheidender Bedeutung – ebenso wie die Kenntnis der Zielgruppen.

Mit Big Data und einer Wohnzielgruppenanalyse kann ein Bild der künftigen Milieus ermittelt werden. Neben lokaler Marktexpertise kann diese entscheidende Einblicke für Planungsentscheidungen datengestützt liefern. Für alle Haushalte einer Kommune und deren Einzugsgebiet werden auf Basis von erhobenen Umzügen Wahrscheinlichkeiten zu einem Umzug an sich, zu einem Umzug in einen bestimmten Immobilientyp und zu einem Umzug in eine bestimmte Region errechnet. So lässt sich die zu erwartende Zusammensetzung eines neuen Baugebietes nach Milieus simulieren. Kombiniert mit einer deutschlandweiten Wohnwunschbefragung können weitere relevante Faktoren ermittelt werden: Wie viele große und wie viele kleinere Wohnungen werden benötigt? Welchen Bedarf an Kinder- gartenplätzen haben die neuen Bewohner? Welches Budget steht ihnen zur Verfügung? Für genauere Fragestellungen, zum Beispiel zum Image von Lagen bei verschiedenen Zielgruppen, liefern lokale Befragungen Antworten.

Die Erkenntnisse aus der Grundlagenermittlung bilden den Input, der im Rahmen der Diskussion mit Kommunen und Bürgern Spielräume für Visionen, Leitbilder und bewusste Schwerpunktsetzungen bietet und die Fragen nach dem Wohnen und dem Umfeld beantwortet.

Eine Gebietsentwicklung führt zu optimalen Ergebnissen, wenn sich unterschiedliche Fachdisziplinen verbinden, die an gemeinsamen Zielen arbeiten. So entstehen mit Hilfe der Marktforschung und Bedarfsermittlung passgenaue Konzepte, die attraktive Wohnstandorte schaffen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der gemeinderat 9/21. Weitere Informationen unter treffpunkt-kommune.de

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