Update: Wohnwetterkarte 2023
Zinsen, Baukosten und Zuwanderung: Der Wohnungsmarkt hat sich angespannt
BPD und bulwiengesa legen im fünften Jahr in Folge die Wohnwetterkarte mit aktualisierten Daten vor. Dieses Jahr steht die Karte unter dem Eindruck der aktuellen Krise im Wohnungsbau.
Die Lage hat sich in den letzten anderthalb Jahren rapide verschlechtert: Denn der Zinsanstieg dämpft den Wohnungsbau massiv. Gleichzeitig ist der Wohnungsbedarf durch den Ukraine-Krieg noch gestiegen – und wird wegen des bevorstehenden Ruhestands der Baby-Boomer und der deshalb benötigten qualifizierten Zuwanderung weiterhin hoch bleiben.
Welches Wetter haben wir wo?
Ein heißer Wohnungsmarkt zeichnet sich aus durch:
- eine hohe Nachfrage (Indikator 1)
- und ein zu geringes Bauvolumen im Vergleich zur Nachfrage (Indikator 2)
Hinweis: Mit dem Plus (+) können Sie die Karte bis zur Ansicht der Gemeindeebenden vergrößern.
Ein heißer Wohnungsmarkt zeichnet sich aus durch eine hohe Nachfrage (Indikator 1) und ein zu geringes Bauvolumen im Vergleich zur Nachfrage (Indikator 2). Mit dem Plus (+) können Sie bis zur Ansicht der Gemeinden zoomen. © GeoBasis-DE / BKG 2023
Die wichtigsten Wohntrends 2023
Der Blick auf die Wetterkarte 2023 zeigt spannende Trends:
1. Deutschland wird insgesamt viel heißer
Legt man die Wohnwetterkarte 2023 neben die alte Wohnwetterkarte 2021, so ist insgesamt kein großer Unterschied feststellbar. Dies liegt aber an der Darstellung – denn wir haben immer 25 Farbtöne zwischen kältester und wärmster Kommune vergeben. Um den Zeiteffekt darzustellen, muss man deshalb, wie links dargestellt, die Vorjahre mit der Temperaturskala von 2023 visualisieren. Das Ergebnis zeigt, wie der deutsche Wohnungsmarkt fast flächendeckend heißer wird. Für einige bisher kalte Regionen kann das eine gute Nachricht sein – für die Mehrzahl der Regionen bedeutet dies aber ungedeckte Bedarfe, steigende Mieten und schwierigere Wohnungssuche. Auch der rechnerische Ausgleich zwischen Überhängen in Schrumpfungsregionen und Fehlbedarfen in Wachstumsregionen klappt inzwischen nicht mehr. Besonders betroffen ist Berlin – aber auch weite Teile Süddeutschlands.
2. Kosten sparen im weiteren Umland
Aus der Region München kennen wir seit Jahren den Effekt, dass hohe Preise zu Ausweichreaktionen bei Umzügen führen und deshalb bspw. die Regionen um Landshut oder Landsberg / Lech einen besonders hohen Wohnungsbedarf haben. Durch den Zinsanstieg und den Einbruch der Fertigstellungszahlen beobachten wir dies nun verstärkt auch in Baden-Württemberg. Heilbronn, Pforzheim und Reutlingen sind quasi das neue Stuttgart – bei moderateren Preisen. Ansatzweise sieht man dies auch in Hamburg (mit besonders warmem Wetter im Raum Lüneburg). Bei kleineren Städten liegt das warme Umland näher am Zentrum. Bekannt ist der Effekt aus Nürnberg und Regensburg, nun sieht man ihn auch in Karlsruhe und Ulm. In Berlin geht die Ausweitung des Umlandes einfach immer weiter: Inzwischen gehört eine Linie Fehrbellin – Brandenburg – Bad Belzig zum Ballungsraum. Im Südosten reagiert der Raum Storkow – Fürstenwalde auf den sogenannten Tesla-Effekt.
3. Bezahlbarkeit ist der Bonus der wirtschaftsstarken Provinz
Seit Jahren schon sorgt die Kombination aus wachsender Bevölkerung, wirtschaftlicher Dynamik und moderaten Preisen in oft als unspektakulär wahrgenommenen Landkreisen wie Cloppenburg, Tuttlingen oder Biberach für warmes Wohnwetter. Gerade entlang der großen Verkehrsachsen zwischen den Ballungsräumen sind nun weitere Regionen durch Bevölkerungszuwächse deutlich wärmer geworden: Der Raum Rotenburg / Wümme an der A1, der Raum Minden an der A2 oder das Rheinland im Raum Jülich – Erkelenz. Den großflächigsten Zuwachs an Wärme gibt es auf über 200 km entlang des Oberrheins von Bruchsal im Norden bis Weil am Rhein im Süden – sowie auf niedrigerem Niveau im gesamten Korridor zwischen Berlin und Hamburg.
4. Corona ist vorbei – und damit auch der Drang in die touristischen Regionen
Tourismusregionen sind attraktiv – aber auch vergleichsweise teuer und teils peripher gelegen. Corona mit der Kombination aus relativer wirtschaftlicher Stabilität, Homeoffice und einer Höherbewertung von attraktiver Landschaft gegenüber pulsierender Großstadt hatte deshalb in den letzten beiden Wohnwetterkarten die touristisch attraktiven Regionen wärmer werden lassen. Diese Entwicklung hat sich nicht weiter fortgesetzt. Die Regionen um Stralsund und Greifswald, der Bodensee, Garmisch-Partenkirchen und der Raum Traunstein sind deshalb entgegen dem Bundestrend nicht wärmer geworden. Eine Ausnahme ist die Mecklenburgische Seenplatte, deren zunehmende Wärme aber eher durch die oben genannte Ausweitung des Berliner Umlands erklärt werden kann.
5. Langfristtrend: Westdeutsche Schrumpfungsregionen
Trend 5 scheint wegen des Bundestrends zu mehr Hitze zu pausieren. Die Rede ist von der Kälte in Schrumpfungsregionen in westdeutschen Mittelgebirgen oder an der westdeutschen Peripherie. Dies gilt aber nur in absoluten Zahlen – im Verhältnis zu den anderen Regionen sind diese Gegenden deutlich unterproportional oder sogar gar nicht wärmer geworden. Dies betrifft beispielsweise die Nordseeküste rund um Jever, Niebüll oder St.-Peter-Ording. Im Raum Cuxhaven sowie auf der anderen Elbseite bei Brunsbüttel bleibt es sogar blau. Auch das hessisch-westfälische Grenzgebiet im Sauerland, der hessische Vogelsberg, der Raum Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz und Teile des Bayerischen Waldes hätten das Potenzial, mehr zum Ausgleich der Wohnungsmärkte beizutragen.
„Die letzten Jahre haben wir viel über die Frage Metropole vs. attraktive ländliche Räume gesprochen. Die aktuelle Wohnungskrise auf der Bundesebene rückt nun vor allem gut angebundene Regionen mit Kostensparpotenzial in den Fokus der Nachfrager.“
Unser Fazit: Wohnungsbau in der Krise
Wohnungsbau war in den letzten Jahren bereits herausfordernd – jetzt wird es richtig schwierig. Denn zum bisherigen Hauptproblem des Engpasses an Flächen kommt nun die wirtschaftliche Herausforderung, überhaupt bezahlbaren Wohnraum zu erstellen. Angesichts weiter steigender Baukosten und teurerer Grundstücke können auf der Angebotsseite kaum Preise reduziert werden – während die Nachfrager sich weniger leisten können. Gefordert sind deshalb sowohl die Projektentwickler als auch die Politik.
Über die Wohnwetterkarte
Mit der Wohnwetterkarte stellen BPD und bulwiengesa analog zu einer Wetterkarte anhand eines Temperaturgefälles das Verhältnis von Angebot und Nachfrage für jede der rund 11.000 deutschen Städte und Gemeinden dar und gibt einen Ausblick auf die nächsten drei bis fünf Jahre.
Als Indikator dient insbesondere der Bedarf an Wohnungen, der unter anderem mit dem aktuellen Bauvolumen abgeglichen wurde. Je heißer eine Gemeinde, desto größer ist der Wohnraumbedarf bei zu geringer Bautätigkeit. Die Wohnwetterkarte soll mit ihrer bildhaften Darstellung politische Entscheidungsträger, Investoren und Nutzer für die Situation auf dem jeweiligen Wohnungsmarkt sensibilisieren.
Was ist das Wohnwetter?
Die Wohnwetterkarte zeigt die lokalen Wetterverhältnisse in allen Regionen Deutschlands. Sie verdeutlicht die aktuelle Situation bei Angebot und Nachfrage, zeigt auf, wo Neubau fehlt, und gibt eine Aussicht auf die Lage in den nächsten drei bis fünf Jahren.
Ein heißer Wohnungsmarkt zeichnet sich durch eine hohe Nachfrage (Indikator 1) und ein im Vergleich zur Nachfrage zu geringes Bauvolumen (Indikator 2) aus. Kalt bedeutet, dass kaum oder nur wenige Wohnungen nachgefragt werden oder im Verhältnis dazu zu viel gebaut wird.
Eine Prognose, wie sich die Preise in ferner Zukunft entwickeln werden, ist damit jedoch nicht verbunden. Der Analyse liegt eine aktuelle Einwohner- und Haushaltsprognose zugrunde. Eine besondere Nachfrage durch Ferienwohnungen ist dabei nicht berücksichtigt.
Was passiert bei einer Überhitzung des Marktes? Ganz sicher wird ins Schwitzen geraten, wer eine Wohnung sucht. Ebenso kann Kälte unangenehm sein, v. a. für diejenigen, die eine Immobilie besitzen, aber auch für Mieter, die eine gut instandgehaltene Immobilie suchen. Auf dem Wohnungsmarkt ist es wie beim Wetter: Bei angenehmer Wärme fühlen sich alle am wohlsten.
Am heißesten sind übrigens nicht Kommunen, die „einfach nur“ eine hohe Wohnungsnachfrage haben. Es sind diejenigen Städte und Gemeinden, in denen eine sehr hohe Nachfrage auf eine sehr geringe Bautätigkeit trifft. Die heißeste Kommune liegt dieses Jahr erstmals nicht mehr in Bayern, sondern in Niedersachsen: Die Stadt Cloppenburg hat den höchsten prozentualen Wohnungsbedarf des Landes. Auf der anderen Seite kommt in den ganz „kalten“ Gemeinden zu einer schwachen Nachfrage auch noch eine überhöhte Bautätigkeit – die Zahl derartiger Kommunen hat aber gegenüber den Vorjahren deutlich abgenommen.
BPD-Ansprechpartner:
Wohnungsbedarfsprognose
Die errechneten Komponenten aus Ersatz-, Zusatz- und Nachholbedarf wurden einerseits ins Verhältnis zum aktuellen Wohnungsbestand und andererseits zur Bautätigkeit gesetzt.
Die Betrachtung von Angebots- und Nachfragemengen ergibt deutlich stabilere Ergebnisse als beispielsweise die Betrachtung von Preisen oder Verkaufszahlen. Gerade durch die unsicheren Rahmenbedingungen der letzten beiden Jahre ist dies ein Vorteil.
Um auf die Temperatur für einzelne Gemeinden zu kommen, werden anhand der Bevölkerungsprognose von bulwiengesa die Bedarfe zunächst per Regressionsanalyse auf die Gemeindeebene heruntergebrochen. Da eine gemeindescharfe Bevölkerungsprognose aber wenig valide ist (denn Austauschbeziehungen zwischen kleinen benachbarten Gemeinden sind schwer vorhersagbar), wird der Untersuchungsradius wieder geweitet. Aus der Umzugsforschung wissen wir, dass ca. 80 % der Umzüge innerhalb von 15 km Distanz stattfinden, politische Grenzen dabei aber oft keine große Rolle spielen. Deshalb wird über einen Geodatenalgorithmus nun um jede deutsche Gemeinde ein Radius von 15 km gezogen und in diesem Radius Bedarfe, Wohnungsbestände und Bautätigkeit miteinander ins Verhältnis gesetzt. Diese 15-km-Radien geben einerseits die Marktdifferenzierung deutlich besser wieder als eine Analyse auf Kreisebene und machen andererseits deutlich, dass Wohnungsmärkte sich im Nahbereich ausgleichen. Eine einzelne Gemeinde kann große Hitze in einer Region gar nicht allein absorbieren.
Für die Wahl der Farbe in der Wohnwetterkarte 2023 werden wieder alle Kommunen jeweils in 25 gleich große Gruppen eingeteilt. Das Wohnwetter zeigt somit die Relation zu den anderen Kommunen.